Unschwedisch

Wir stehen zu zweit auf der Brücke. Mit Kinokarten in der Tasche unterhalten wir uns bis die Vorstellung anfängt und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Eine Frau mittleren Alters stellt sich ein paar Meter weiter und sieht glücklich aus. Sie sieht zu glücklich aus und schaut etwas zu sehr in unsere Richtung, als dass man nicht misstrauisch würde, sie wolle etwas. Schon fängt sie an zu reden. Welch wunderbarer Anblick das sei. All die Blumen in der Stadt. Und der japanische Kaiser. Und der Vortrag von Watson gestern, der habe sie ja so froh gemacht, wie dieser alte und hochdekorierte Mensch auf der Bühne gekichert hat und eine solche kindliche Neugier an den Tag legte. Das gebe ihr Hoffnung fürs Altwerden. Der Planetenforscher sei ja auch sehr gut gewesen. Aber anders, mehr effektiv. Er habe Wissen vermittelt und sie habe diese Wissensvermittelung wahrlich genossen. Aber der Kardinal später, der sei ja Deutscher gewesen und auch wenn er auf Englisch geredet habe, sei er ja so super-duper-deutsch gewesen. Ewig lang habe er geredet. Sie macht ein gequältes Gesicht. Ich schaue mitleidig, erwähne jedoch nicht, dass ich auch in diesen Vorträgen saß, sondern gebe ihr ein scherzhaft abfälliges “Katholiken!” als Antwort. Ach nein! Sie sei ja selbst katholisch, aber dieser Kardinal, ne, den mochte sie nicht.

Es ist Zeit, auf unseren Kinobesuch hinzuweisen, uns zu verabschieden und ein wenig über diese Begebenheit zu lächeln. Denn erst wenn jemand die ungeschriebenen Normen bricht, fallen sie einem auf. Es ist in Schweden ungewöhnlich, auf der Straße angesprochen zu werden, erst recht von Schweden.

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Stefan Sundström - Livet är liksom en fest

([YouTube DirektLink](http://youtube.com/watch?v=9L4lm5Yrhqs), [schwedische Wikipedia über Sundström](http://sv.wikipedia.org/wiki/Stefan_Sundstr%C3%B6m))

Ich bin erst neulich auf Stefan Sundström aufmerksam geworden, der ein schwedischer “Singer-Songwriter” mit eigensinnigen realitätsbeschreibenden beziehungsweise -kritischen Texten zu sein scheint. Sehr interessant.
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Die Tankstelle in Grissla

Wer schon einmal die E4 von Uppsala ein Stück nördlich gefahren ist, hat sie sicher gesehen, die alte verfallene Tankstelle am westlichen Straßenrand, etwas südlich von Tierp. Nach etwa 40 Jahren Betrieb wurde die Mack Ende der 80er Jahre eingestellt und seitdem verfällt das Gebäude. Es ist so herrlich fehlplatziert im ordentlichen Schweden, dass es eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Angeblich ist die Tankstelle sogar auf einem CD-Cover von Kent zu sehen, das ich jedoch weder kenne noch im Netz finden kann.

Erstaunlicherweise scheint sich die ganzen Jahre kaum jemand am Anblick gestört zu haben, aber jetzt haben Bewohner von Grissla sich in einem Brief an die Gemeinde beschwert. Leute würden dort Müll abladen und ihr Geschäft verrichten. Außerdem ist das Dach mittlerweile einsturzgefährdet. Vielleicht schaffe ich es ja noch zu einem “Fototermin” mit der Tankstelle, bevor sie verschwindet. Interessante Bilder dürften das werden, auch wenn ich nicht der erste mit dieser Idee bin.

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Ehrendoktoren II

Nach der ersten Runde mit Vorträgen am Morgen, hörte ich gestern nachmittag noch zwei weiteren Menschen zu, die heute ihre Linné-Ehrendoktoren verliehen bekommen.

Da war zuerst der deutsche Kardinal Walter Kasper, laut Begründung einer der international meistbekannten Theologen. Von meiner Ablehnung gegenüber Religion einmal ganz abgesehen, kann ein Theologe natürlich prinzipiell schon Interssantes von sich geben. Leider war dem nicht so bei Herrn Kasper. Neben Name-Dropping von berühmten Philosophen war seine Hauptaussage lediglich, dass es der heutigen Zeit an Vision und Hoffnung mangelt und dass Religion, vor allem natürlich das Christentum, dazu einiges beitragen kann. Das Ganze wurde äußerst verschwurbelt und in fast unverständlichem Englisch über eine Stunde lang vorgetragen. Leute verließen den Saal vorzeitig und ich gönnte mir zwischenzeitlich ein paar Minuten Schlaf. Kasper war der einzige der Redner gestern, der sich nicht für die Einladung und die Möglichkeit zu reden bedankte.

Auch der Ehrendoktor der juristischen Fakultät geht übrigens an einen Deutschen: Christian von Bar, der an der Uni Osnabrück lehrt.

Am späteren Nachmittag gab es dann das schon erwähnte Gespräch zwischen Kofi Annan und Jan Eliasson, die nach beiderseitiger Aussage eine besonders enge Zusammenarbeit aus der Zeit verbindet, als Eliasson Vorsitzender der UN-Vollversammlung war. In dieser Runde war es verzeihlich, dass sich alle gegenseitig Honig um den Mund schmierten. Sinn der Veranstaltung war kein Streitgespräch und auch nicht die Vermittlung von sonderlich viel Information, sondern die Möglichkeit, die entscheidenden Personen selbst ihre Sicht der Dinge erzählen zu lassen.

Die
Gesprächsrunde
(v.l.n.r: Peter Wallensteen, Professor für Friedens- und Konfliktforschung in Uppsala und Moderator des Gesprächs; Kofi Annan; Jan Eliasson; Anna Kläppe, Studentin)

Ein Schwerpunktthema war die von Annan initiierte “responsibility to protect”, die einerseits die internationale Gemeinschaft dazu anhält, nicht tatenlos Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuzusehen, und gleichzeitig Regierungen ermahnt, dass sie sich nicht auf ihre staatliche Souveränität berufen können, wenn sie ihr Volk misshandeln, sondern dass sie mit Einmischung von außen zu rechnen haben. Bis dieses Prinzip konsequent angewandt werde, wird jedoch noch einige Zeit vergehen, bedauerte Annan.

Ich habe das Gespräch aufgenommen (MP3, 24MB), mit dem internen Mikrophon des MP3-Players und der vollbesetzten Aula wurde die Audioqualität jedoch leider ziemlich mies. Ich habe wenig Ahnung von Audiobearbeitung, aber wenn sich jemand, der sich damit auskennt, an der Originaldatei (WMA, 33MB) versuchen würde und mir das verbesserte Ergebnis zukommen ließe, würde ich (und alle späteren Hörer) mich natürlich freuen.

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Vitsippa

Vitsippa

Übrigens habe ich einmal alle Bilder, die ich hier im Laufe der Zeit zwischen die Texte gestreut habe, in einer eigenen Galerie zusammengefasst. So lassen sie sich bequemer anschauen und ein dunkler Hintergrund und der weiße Rahmen lassen Bilder noch einmal besser wirken.

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Ehrendoktoren

Von Ehrendoktoren, also Doktortiteln, die man ohne eine entsprechende Arbeit verliehen bekommt, mag man halten, was man will. Die Liste mit Namen, die die Uni Uppsala ausgesucht hat, um ihnen anlässlich der Linnéfeierlichkeiten eben solche Titel zu verleihen, lässt sich jedoch sehen.

Die formelle Verleihung ist morgen, aber heute geben die Empfänger ihre Vorträge. Ich sitze gerade in der Universitätsaula und höre zu.

  • Der erste Redner war Michel Major von der Uni Genf, eine der herausragenden Figuren in der Suche nach Planeten um andere Sterne als die Sonne. Seine Gruppe hat etwa die Hälfte der bisher gut 200 gefundenen Planeten enteckt und zuletzt war er wieder in den Schlagzeilen mit einem Planeten, der nicht viel schwerer als die Erde ist und sich in einem Abstand zu seinem Stern befindet, der prinzipiell flüssiges Wasser erlaubt. Da ich ihm schon vorgestern bei anderer Gelegenheit zugehört hatte, habe ich seinen Vortrag heute ausgelassen.
  • James D. Watson ist als einer der Entdecker der Helix-Struktur der DNA ebenfalls kein Unbekannter und zusammen mit Crick und Wilkins hat er ja auch schon 1962 den Nobelpreis bekommen. Heute sprach er jedoch allgemeiner über Rules for Important Science. Ich kam etwas zu spät, habe aber noch mitbekommen, wie er für den Austausch auch unter konkurrierenden Wissenschaftlern argumentierte und dafür, einen Backup-Plan bereit zu haben, wenn man keinen Erfolg hat. Denn wenn man große Fragen angeht, sei scheitern wahrscheinlich, aber es sei viel besser an einer wichtigen Frage zu scheitern als an einer unwichtigen.
  • Danach sprach Robert A. Weinberg über Krebs und wie er entsteht. Das war ein sehr interessanter und gut gehaltener Vortrag. Ich traue mich kaum, ihn zusammenzufassen, aber glaube, jetzt ein wenig mehr über Krebs zu wissen.
  • Elinor Ostrom spricht gerade über Why Institutional Diversity Is Important but Often Mistaken for Chaos. Sie ist Politikwissenschaftlerin und bei dem Titel des Vortrags war ich doch überrascht, dass sie vor allem über Entwicklungshilfe und Konzepte zur Bewahrung von Naturreservaten in mehreren Teilen der Welt sprach. In ihrem Schlussplädoyer sprach sie sich gegen institutionelle Regulierung und für Eigenverantwortung aus und dafür, die Komplexität von Entscheidungsprozessen nicht als Feind zu sehen, sondern zu versuchen, sie zu verstehen.

  • Jane Goodall ist die weltbekannte Affenforscherin, deren Bücher sehr lesenswert sein sollen. Sie grüßte die Zuhörer mit einem “Hallo” auf Schimpansisch, das sie während ihrer Zeit mit Schimpansen benutzt hatte. Nachdem sie kurz erzählte, wie sie dazu kam, mit Menschenaffen zu arbeiten, und einige biologische Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede erwähnt hat, geht sie auf das Sozialsystem ein und erzählt Geschichten aus solchen Gemeinschaften. Starke lebenslange Familienbindungen, die Rangordnung und mit welchen Strategien, abseits von Aggression, ein sozialer Aufstieg angestrebt wird. Ihre Entdeckung, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und benutzen und dass diese Fähigkeiten von älteren in der Gemeinschaft erlernt werden, hat die “Grenze” zwischen Menschen und Affen weiter verwischt. Auch von den schockierenden Erlebnissen, wie dem Bezeugen eines “Krieges” gegen eine andere Gruppe, erzählt sie. Dass die Menschheit nicht so unterschiedlich vom Rest der Tierwelt ist, könne einerseits die Anfänge des Menschen verstehen lernen und bringe automatisch eine weitergehende Verantwortung gegenüber der Umwelt mit. Einige traurige Beispiele dafür werden genannt und sie schließt mit einem sehr emotionalen Plädoyer gegen die Unvernunft und fehlende Weisheit in heutigen Entscheidungsprozessen. Goodall hält den Druck des Geldes für den entscheidenden Faktor und hofft auf eine neue Generation von jungen Menschen, die andere Wege gehen.

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Wallraff im Callcenter

Günter wallrafft wieder, diesmal in einem Callcenter. Sein Name ist im Schwedischen sprichwörtlich geworden.

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Lehrreiches Geld

Jeder, der schon einmal in Schweden war, weiß wie Carl von Linné aussah – vielleicht ohne zu wissen, dass er es weiß. Der gebräuchlichste schwedische Geldschein im Wert von 100 Kronen (z.Zt. knapp 11 Euro) ist nämlich dem Botaniker gewidmet und dort ist allerlei Interessantes zu sehen.

Vorderseite des
100-Kronen-Scheines

Auf der Vorderseite:
1. Abbildung eines Stichs des wohl bekanntesten Portraits von Linné. 1775 von Alexander Roslin gemalt und hier in Farbe zu besehen.
2. In sehr kleinen Buchstaben ist der Text “OMNIA MIRARI ETIAM TRITISSIMA” zu lesen, eines von Linnés Mottos. Zu Deutsch etwa: “Wundere dich über alles, auch das Alltäglichste”.
3. Eine Skizze des Linné-Gartens in Uppsala.
4. Abbildung von bestäubenden Pflanzen aus Linnés Frühwerk Præludia Sponsaliarum Plantarum von 1729.

Rückseite des
100-Kronen-Scheines

Auf der Rückseite:
7. Zeichnung einer Biene, die eine Blume bestäubt, nach einem Bild des bekannten (Wissenschafts-) Fotografen Lennart Nilsson. Da Linné die Rolle der Biene bei der Befruchtung nie erkannte, steht das Bild für die Weiterentwicklung seiner Arbeit. Der Hintergrund (8) zeigt stilisiert Pollen und Bestäubung. Rechts im Bild (9) sieht man eine Rekonstruktion, wie eine Biene die Blume durch ihre Facettenaugen sieht.

(Quelle für Bild und Information: Sveriges Riksbank. Tack för tillstånd att återpublicera bilderna.)

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Moosglöckchen

Das Moosglöckchen war Carl von Linnés Lieblingsblume und deswegen trägt sie auch dessen Namen: Linnaea borealis L.. Der dritte Teil der wissenschaftlichen Bezeichnung ist immer der Name des Botanikers, der ihn vergeben hat. Linné ist der einzige solche, der mit nur einem Buchstaben abgekürzt wird.

Der standardsprachliche schwedische Name der Blume ist Linnéa und gleichzeitig ein beliebter weiblicher Vorname.

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Linné på spex

Spex-Linné

Linné-Darsteller in der Spex von neulich.

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