Arbeiterkinder an der Uni

Radio Schweden kam mir zuvor, aber die dürfen ja auch einfach ihre schwedisch schreibenden Kollegen direkt übersetzen.

Fast 40 Prozent aller 20 bis 25 Jahre alten Schweden kommen aus Arbeiterfamilien. Aber ein Viertel von ihnen besucht eine Hochschule. Es werden zwar mehr, aber nur weniger als ein Prozent pro Jahr.

Das Thema, wie sehr das Ausbildungsniveau der Eltern eine Rolle dabei spielt, welchen Weg der Nachwuchs einschlägt, ist in der Tat wichtig in Schweden. Ich kenne es aus eigener Erfahrung nur von der Auswahl anderer Doktoranden. Das Thema kommt da gelegentlich auf und wird ernst genommen. Vergleichbare Zahlen auf Universitätsniveau für Deutschland habe ich in der Studie Eurostudent 2005 (pdf) gefunden. Bei etwa gleichem Anteil an Arbeiterkindern in der Bevölkerung wie in Schweden machen sie in Deutschland anstatt 25 nur 13 Prozent der Studenten aus.

Der Wikipedia-Artikel zur Bildungsbenachteiligung, über den ich die Studie gefunden habe, ist interessant und erschreckend zugleich.

Tagged , , ,

Celsius, Linné und die Temperaturskala

Neben Carl von Linné, der gerade groß gefeiert wird, ist Anders Celsius der andere bekannte Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts aus Uppsala. Die beiden waren Zeitgenossen. Celsius war Astronom und baute das erste schwedische Observatorium, das heute schräg in die Einkaufsstraße von Uppsala ragt.

Man kennt ihn natürlich am ehesten wegen der allgegenwärtigen Temperaturskala, die er einführte. Etwas weniger bekannt ist, dass Celsius den Gefrierpunkt von Wasser auf 100 Grad setzte und den Siedepunkt auf Null. Erst nach dessen Tod wurde die Skala umgedreht – von Linné.

Tagged , , , ,

Die Linné-Woche

Heute vor 300 Jahren wurde Carl Nilsson Linnaeus alias Carl von Linné in Småland geboren und hier in Uppsala, wo der Botaniker hauptsächlich tätig war, wird das diese Woche mit unzähligen Veranstaltungen gefeiert.

Ein Auszug, aus dem Programm (S, E):

  • Der formelle Teil heute besteht aus einer Kranzniederlegung mit Konzert am Grab von Linné im Dom und anschließender Feier mit Reden und mehr Musik in der imposanten Universitätsaula. Abends dann ein Festessen für geladene Gäste im Schloss.
  • Der Rektor der Uni Uppsala vergibt fleißig Orden und Ehrendoktoren zu Linnés Ehren. Letztere werden zusammen mit der üblichen Frühlingspromotion am Samstag an bekannte internationale Forscher verliehen. Dazu später mehr.
  • In der Unibibliothek Carolina Rediviva hat gestern eine Ausstellung eröffnet, die Originalmanuskripte und Erstauflagen der Werke Linnés zeigt. Eine gute Gelegenheit, nach fünf Jahren in Uppsala endlich einmal einen Blick in das Gebäude zu werfen.
  • Während der ganzen Woche findet ein Festival für Jugendliche in der trädgårdsgatan statt, unter dem Motto “Love is in the air”.
  • Es werden zahlreiche geführte Wanderungen in und um Uppsala angeboten, jeweils mit Botanik als Thema und Linné im Hintergrund.
  • Das Museum Gustavianum hat sein Stockwerk für wechselnde Ausstellungen ebenfalls dem Carl gewidmet und es gibt täglich Führungen auf Schwedisch und Englisch. Morgen um halb zwei wird dort Musik aus dem 18. Jahrhundert gespielt.
  • Auch das Evolutionsmuseum beim botanischen Garten hat eine Ausstellung, ebenso das Upplandsmuseet, das mit Kaos von Linné die Rolle der Ordnung in der heutigen Gesellschaft beleuchtet. Im botanischen Garten selbst gibt es mehrere Ausstellungen und der Linné-Garten hat sich herausgeputzt.
  • Das angrenzende Wohnhaus von Linné und Linnés Hammarby außerhalb der Stadt laden natürlich ebenso auf einen Besuch ein.
  • Auf verschiedenen Marktplätzen in der Stadt finden Theateraufführungen und ein Markt zum 18. Jahrhundert statt. Viele Plätze und Straßen sind mit Blumen geschmückt.
  • Es wurde sogar ein Film gedreht. Der bekannte schwedische Naturfotograf Mattias Klum hat zusammen mit Folke Rydén “*Expedition Linné*” gedreht, einen Dokumentarfilm über die Lust, die Natur zu erforschen. Auf der [Filmhomepage](http://www.expeditionlinne.se/) gibt es einen Trailer zu sehen. Alles in allem also sehr viel zu sehen diese Woche in Uppsala – und ich habe weder Zeit noch Kamera. :( Gut 26 Millionen Kronen sind Uppsala die Feierlichkeiten [wert](http://www.sr.se/cgi-bin/uppland/nyheter/artikel.asp?artikel=1377410), etwas mehr als die Hälfte davon bezahlt die Universität. Vom Auffrischen der Erinnerung an Linné erhofft man sich sowohl Werbeeffekte als auch ein gesteigertes Interesse für Naturwissenschaften, nicht zuletzt bei Jugendlichen. [Spiegel Online berichtet](http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,484171,00.html) auch und erwähnt einige der Veranstaltungen, die in Deutschland zum Linné-Jubiläum stattfinden. Wofür Linné eigentlich bekannt ist, liest man am besten [in der Wikipedia nach](http://de.wikipedia.org/wiki/Linn%C3%A9#Linn.C3.A9s_Taxonomie).
Tagged , , , ,

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Laut einer neuen Studie sind in den letzten Jahren die Löhne für Frauen stärker gewachsen als die für Männer, so dass kaum noch ein Unterschied vorhanden ist. Wenn man den Einfluss von Ausbildung, Beruf und Alter korrigiert, verdienen Frauen in Schweden 99% des Männerlohnes.

Das sind gute Nachrichten und Schweden dürfte damit wieder einmal international vorne liegen, dennoch sagt “gleiches Geld für gleiche Arbeit” noch nichts darüber aus, ob Frauen im Durchschnitt die schlechteren Jobs haben und deshalb doch weniger verdienen. In dieser Hinsicht hat sich die Gehaltsschere noch nicht ganz geschlossen, Schweden ist aber auch hierbei gleichberechtigter als die meisten anderen Länder.

Älterer Artikel zum Thema.

Tagged , , ,

Aussehen

Heute gab es ein paar kleine Änderungen am Layout, vor allem – zur Jahreszeit passend – etwas mehr Farbe und das neue Titelbild, zu dem sich bald mehrere gesellen werden, die sich dann wieder zufällig abwechseln. Gefällt’s?

Tagged ,

Nyamko Sabuni

Die britische Times hat einen lesenswerten Artikel über die schwedische Integrations- und Gleichberechtigungsministerin Nyamko Sabuni. Eine bewundernswert mutige Frau, die sich laut für wichtige Themen einsetzt.

Tagged , ,

Snobismus gegen Bescheidenheitsgetue

In ihrer Mai-Ausgabe hatte die Titanic einen Text von Max Goldt mit dem Titel “Sodbrennen und Snobismus”. Den gibt es leider nicht online, deshalb hier ein Zitat:

Der Snobismus hat ein ungerechtfertigt schlechtes Image, die meisten wissen eh nicht recht, was der Begriff bedeutet, und verwenden ihn synonym für Arroganz, Hochtrabendheit und dem respektlosen Hinabschauen auf sogenannte einfache Leute. Solche Erscheinungen sind aber allenfalls unschöne Nebeneffekte. Der Kern des Snobismus ist nicht das Hinabschauen, sondern der Blick nach oben. Als sein Gegenteil könnte man einen Ausdruck anführen, den Lars Brandt, der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers, einmal in Bezug auf Herbert Wehner und dessen Frau gebrauchte: skandinavisches Bescheidenheitsgetue.

Skandinavisches Bescheidenheitsgetue? Es dämmert, was gemeint ist. Ein paar Zeilen weiter wird es klarer:

Der Snob orientiert sich an der nächsthöheren gesellschaftlichen Schicht, und er hat dabei die gleichen Möglichkeiten wie ein mittelmäßiger Musiker, der einem Guten nacheifert. Entweder er verbessert sich tatsächlich, oder er wird prätentiös und macht sich lächerlich. Gefahrvoll ist das Leben. Aber immerhin: Er hat es gewagt, ein Besserer werden zu wollen! Was in den Augen von selbstgerechten Kleinbürgern – die sich gern als “ganz normale Menschen” bezeichnen [...] – freilich bereits eine ungeheuerliche Anmaßung darstellt.

Dazu passend wieder einmal: das Gesetz von Jante, dessen negative Auslegung sich mit dem oben beschriebenen deckt. Diesen Charakterzug gibt es zwar sicherlich sowohl in Deutschland wie in Schweden, aber ich wage zu behaupten, dass man hierzulande Menschen, die in irgendeiner Weise aus der Norm herausragen, skeptischer betrachtet. Zumindest schickt es sich nicht, zu zeigen, dass man mehr kann, mehr hat oder mehr weiß. Man tritt bescheiden auf und verkneift es sich beispielsweise, darauf hinzuweisen, dass man etwas schon wusste, das einem ein anderer gerade erklärt.

Man kann das als angenehm empfinden oder als Hindernis für direkte Kommunikation. Man kann es als echte Bescheidenheit auslegen oder als skandinavisches Bescheidenheitsgetue.

Tagged , , ,

Garmarna - Euchari

([YouTube DirektLink](http://youtube.com/watch?v=vIC_SNtYpxQ), [Wikipedia-Artikel über Garmarna](http://de.wikipedia.org/wiki/Garmarna))

Vorhin bei [Radio Paradise](http://www.radioparadise.com/) gehört. Dieser Internet-Sender im Familienbetrieb aus Kalifornien hat mich schon auf richtig viel Musik aufmerksam gemacht, auch schwedische. Ich gehöre zu den “Supporting Listeners” und schicke regelmäßig Geld.
Tagged , , ,

Blutknappheit; zu strenge Regeln?

In vielen Krankenhäusern in Schweden herrscht Blutknappheit. In Stockholm und auch an der Uniklinik hier in Uppsala, wo man schon kurz davor war, Operationen zu verschieben.

Ich war gerade auf dem Nachhauseweg spenden. Die blodcentralen in Uppsala hat vernünftige Öffnungszeiten und das Ganze geht schnell und professionell vonstatten. Es gibt Essen und Trinken und man kann sich ein kleines Dankeschön aussuchen. Kein Vergleich zwar zu dem Hunni, den es damals in Heidelberg immer gab, als ich zu Forschungszwecken spendete, aber das gute Gewissen zählt wohl auch.

Vielleicht ist es jedoch kein Wunder, dass zu wenige Blut spenden, denn die schwedischen Regeln erlauben nur zwei Arten von Spendern: Lügner und Langweiler. Ganz abgesehen davon, dass das Spenderblut natürlich auf einschlägige Krankheiten getestet wird, muss man jedesmal Fragen zu seinem Privatleben beantworten. Ist man weit gereist, gilt eine Karenzzeit von 3 Monaten bis unendlich – je nach Land und Aufenthaltsdauer. Wer einen neuen Sexualpartner hat oder sich hat piercen oder tätowieren lassen, muss auch warten.

Wer einmal Narkotika, Hormone oder ähnliches injiziert hat, darf nicht spenden, egal wie lange es her ist. Wer je Sex für Geld hatte auch nicht. Und Männer, die Sex mit einem anderen Mann hatten, ebenso wenig. Es gab letzten Herbst zwar eine Diskussion darüber, ob homosexuelle Männer als Blutspender zugelassen werden sollen, aber es blieb beim Verbot.

Nach neuen Regeln, die sich seltsamerweise noch nicht auf geblod.nu finden, dürfen auch Personen, die jemals Sex mit einer Person aus den drei eben genannten Gruppen hatten, kein Blut mehr spenden. Das schließt Freier aus, aber Prostitution ist in Schweden ja eh verboten.

Es schließt aber zum Beispiel auch alle Frauen aus, die je einen Partner hatten, der homoerotische Erfahrungen während seiner Pubertät hatte. Die kleine Anstecknadel in Form eines Bluttropfen weist einen also nicht nur als Blutspender aus, sondern auch als jemanden, der sich unter anderem an die althergebrachte Sexualmoral hält. Oder eben als Lügner.

Tagged , ,