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Wort der Woche: Rotavdrag

Da es gerade aktuell ist und weil ich das Wort bis eben nicht kannte, kommt diesmal ein vorgezogenes WdW.

Dra av bedeutet “absetzen”, gemeint ist “von der Steuer”. Avdrag ist das Substantiv dazu und wird für alle Möglichen Dinge verwendet, für die es Steuererleichterungen gibt. Rot (sprich: ruht) bedeutet “Wurzel”. Wurzelsteuererleichterung? Mitnichten.

Rot ist in diesem Fall ein Akronym und steht für reparation, ombyggnader & tillbyggnad, zu Deutsch “Reparatur, Um- & Ausbau”. Es handelt sich also um Steuererleichterungen, wenn man an seiner Wohnung oder seinem Haus Reparaturen oder Bauarbeiten durchführen lässt. Die Betonung liegt dabei auf lässt, denn es geht nur um die Lohnkosten (keine Materialkosten) von gewerbetreibenden Handwerkern, die man beauftragt. Dafür bekommt man die Hälfte (!) der Lohnkosten zurück, bis zu 50.000 Kronen pro Jahr. Das Finanzamt macht Werbung: “Hast du Reparaturen und Umbauten bisher aufgeschoben? Ruf schon heute einen Handwerker an. Am Montag kann die Arbeit beginnen und du bekommst den Nachlass im Nachhinein.

Diese Art von Steuererleichterung gab es vor ein paar Jahren schon einmal und heute hat die Regierung die Wiedereinführung verkündet, um dem Abschwung entgegenzuwirken und Arbeitsplätze zu schaffen. Etwa dreieinhalb Milliarden Kronen soll der Rotavdrag pro Jahr kosten und er ist Teil des schwedischen “Krisenpakets” in dessen Rahmen die Regierung Reinfeldt zusätzliche 23 Milliarden Kronen in den nächsten drei Jahren ausgeben will.

Um sich ein Bild von den Zahlen zu machen, braucht man als Deutscher übrigens nicht umzurechen: Der Faktor zehn von der Krone zum Euro wird durch die um fast den gleichen Faktor kleinere Bevölkerung Schwedens “ausgeglichen”. Wenn Schweden eine Milliarde Kronen ausgibt, ist das pro Kopf also grob das gleiche wie wenn Deutschland eine Milliarde Euro spendiert.

Die gleiche Art von Steuernachlass wie den Rotavdrag gibt es seit etwa einem Jahr schon für haushaltsnahe Dienste, also zum Beispiel Putzkräfte. Seitdem sind viele neue Reinigungsfirmen entstanden.

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Wort der Woche: Vidimeras

Beglaubigte Kopien von seinen Dokumenten zu bekommen, ist ein zeitraubendes, manchmal sogar teures, aber oft notwendiges Übel – zumindest in Deutschland. Hierzulande handhabt man das etwas lockerer. Man kann seine Zeugniskopien und ähnliches nämlich von jedermann beglaubigen lassen. Dazu schreibt der Beglaubigende auf die Kopie “Vidimeras”, was soviel bedeutet wie “wird bestätigt”, unterschreibt und fügt zusätzlich seinen Namen in lesbarer Form und Telefonnummer hinzu.

Vielleicht gehe ich zu weit, wenn ich das als Symptom dafür auslege, dass man in Schweden etwas mehr auf Vertrauensbasis miteinander umgeht als anderswo. Ich finde, das ist der Fall.

Ob der Beglaubigende im Betrugsfall mit belangt werden kann, weiß ich nicht, kann es mir aber gut vorstellen.

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Wort der Woche: Miljonprogrammet

In den 50er und 60er Jahren herrschte in den schwedischen Städten akute Wohnungsnot und 1964 beschloss der Reichstag, dass im Zeitraum von zehn Jahren eine Million Wohnungen gebaut werden sollten. Es flossen also staatliche Beiträge, bevorzugt an Kommunen, die groß angelegte Bauprojekte starteten. Das Millionenprogramm (,) war geboren.

Zwischen 1965 und 1975 wurde dann auch so viel gebaut, dass 25% aller heute existierenden Wohnungen aus diesen Jahren stammen. Der Baustil unterscheidet sich nicht wesentlich von den Plattenbauten in deutschen Vorstädten aus dieser Zeit. In mittelgroßen Städten wurden auch schon zehntausende Wohnungen wieder abgerissen, weil keiner mehr dort wohnen will. Nichtsdestotrotz sind viele Städtebilder noch heute vom miljonprogrammet geprägt.

In Großstädten wie Stockholm ist Wohnraum besonders stark nachgefragt und da viele Siedlungen mittlerweile von Mietwohnungen in Wohnrechte umgewandelt sind, gibt es ein privates Interesse, sie instandzuhalten und zu modernisieren. Meines Wissens wird deswegen dort kaum etwas abgerissen. In Rahmen unserer aktuellen Suche haben wir zum Beispiel gestern eine Wohnung gesehen, bei der der Kontrast von innen zu außen kaum größer sein könnte: Sehr geräumige und moderne Wohnung in einem äußerlich extrem hässlichen Wohnblock.

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Wort der Woche: Hattarna & mössorna

Schweden im frühen 18. Jahrhundert. Der große nordische Krieg ist vorbei, Karl XII. ist tot und die Zeit Schwedens als Großmacht ist vorüber.

Die vier Stände – Adel, Bürger, Bauern und Priester – schafften es 1719/20, den Thron zu entmachten und die gesetzgebende Gewalt auf den Reichstag zu übertragen, in dem Beschlüsse gefasst wurden, indem drei der vier Stände zustimmten. Auch wenn das sicherlich keine lupenreine Demokratie war, zeigt es, wie lange der Parlamentarismus in Schweden schon zurückreicht. Die Zeit bis 1772, da König Gustav III. die Macht zurück zum Thron holte, nennt man deshalb die “Freiheitszeit”.

Vorsitzender des Reichtstags bis 1738 und damit der erste moderne Premierminister war der in Finnland geborene Arvid Horn. Dessen Politik zeichnete sich im Innern durch die Kürzung der Militärausgaben und den Versuch aus, nach der Not des Krieges die Wirtschaft voran zu bringen (Merkantilismus). Nach Außen vertrat Horn eine vorsichtige Politik der Friedensbewahrung, beendete also vor allem die bisherige Expansionspolitik, die gegen Ende des Krieges in große territoriale Verluste mündete.

Horns Außenpolitik passte nicht allen und es gab starke revanchistische Bestrebungen gegen Russland. Daraus formierte sich in den 30er Jahren die aristokratisch ausgerichtete “Hutpartei” (hattpartiet, hattarna), die eine aggressivere, russlandfeindliche Außenpolitik in Anlehnung an Frankreich vertrat. Den Namen gaben sich die “Hüte” selbst und nannten im Gegenzug die Anhänger von Arvid Horn abfällig “Nachtmützen” (nattmössorna).

1738 schafften es die Hüte, die Mehrheit im Reichstag zu erlangen und Arvid Horn zu stürzen. Erst dann formierten sich auch die “Mützen” in der mösspartiet und die beiden bekämpften einander für den Rest der Freiheitszeit. Die Hüte verwickelten Schweden wie erwartet in Kriege. Der Russisch-Schwedische Krieg von 1741–1743 brachte nicht die erhoffte Rache an Russland, sondern ging verloren.

Die schwedische Beteiligung am siebenjährigen Krieg gegen Preußen nennt man hierzulande den “pommerschen Krieg” (1757-1762). Als dieser sich als eher kostspielig denn gewinnbringend herausstellte, begann die Macht der Hüte im Reichstag zu bröckeln und 1765 waren es wieder die Mützen, die das Ruder übernahmen. Bevor diese dann die Macht an Gustav III. verloren, hinter dem sich die nach einer erneuten Niederlage in Auflösung befindlichen Hüte scharten, brachten die Mützen noch ein äußerst wichtiges Gesetz durch: die tryckfrihetsförordning (“Pressefreiheitsverordnung”), die auch das noch heute für Schweden so wichtige Öffentlichkeitsprinzip beinhaltete.

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Wort der Woche: Drulleförsäkring

Jemanden, der gegen Türpfosten läuft, Dinge fallen lässt, Kaffee über seine Tastatur schüttet oder der auf andere Arten tollpatschig ist, nennt man in Schweden klant, klåpare oder auch drulle.

Man kann sich hierzulande gegen seine eigene Tollpatschigkeit versichern und zwar mit einem Zusatz zur Hausratsversicherung, die dann auch abdeckt, wenn man sein Laptop ins Klo fallen lässt. Dieser Zusatz nennt sich passender- und niedlicherweise drulleförsäkring.

(Bevor jemand fragt: Nein, ich habe keine.)

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Wort der Woche: Snälltåg

Snäll bedeutet “nett”.
Snabb bedeutet “schnell”.
Tåg beudeutet “Zug”.

Trotzdem ist ein “Schnellzug” auf Schwedisch ein snälltåg, vermutlich eine Art “phonetische Übersetzung” aus dem Deutschen. Das Wort verwendet man aber nicht mehr so oft, sondern man benennt die Art des Zuges, also X2000, so wie man im Deutschen sagt “ich fahre ICE” anstatt “Schnellzug”.

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Wort der Woche: Spettekaka

Spettekaka, spettkaka, spiddekaga und spiddekage sind alles Schreibweisen einer Nachtisch-Spezialität aus Skåne (Schonen), von der ich zwar schon gehört hatte, die ich aber gestern auf einer Hochzeitsfeier bei Helsingborg zum ersten Mal zu Gesicht und Zunge bekam. Ich war nicht alleine damit; einige Schweden hatten auch noch nie spettekaka probiert.

Wikipedia weiß:

Hergestellt wird Spettekaka aus Eiern, Kartoffelstärke und Zucker. Den flüssigen Teig lässt man – ähnlich wie bei der Herstellung von Baumkuchen – ringförmig auf einen rotierenden Holzspieß vor einem offenen Feuer laufen. Der Kuchen ist sehr trocken und muss bis kurz vor Verzehr in seiner durchsichtigen, luftdichten Tüte aufbewahrt werden.

... weil er sehr schnell Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt, will ich ergänzen. Weniger groß und aufgetürmt, jedoch geschmacklich ähnlich sind Baiser, die in Schweden maräng heißen und damit ein sehr schönes Beispiel für eingeschwedischte Schreibweisen sind.

Ich fand spettekaka lecker. Viel kann man davon aber nicht essen.

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Wort der Woche: mobilt bredband

In Schweden ist das Mobilfunknetz UMTS, hierzulande 3G genannt, gut ausgebaut – zumindest da wo sich in der Regel Menschen aufhalten. Letztes Jahr ist der Anbieter 3 vorgeprescht und hat eine billige Daten-Flatrate zusammen mit einem USB-Modem angeboten. Keine unnützen Datendienste fürs Handy, sondern schlichtes “mobiles Breitbandinternet”, schwedisch mobilt bredband.

Die anderen Anbieter zogen nach und die Angebote wurden sehr populär – ich war selbst schon mehrmals versucht, bis ich einsah, dass ich nicht so oft innerhalb Schwedens unterwegs bin. Mittlerweile surfen eine Million Schweden mit ihren Laptops über 3G. Das sind beachtliche 11% der Bevölkerung und die Betreiber freuen sich über die letzte Nische mit starkem Wachstum. Handyverträge und Breitband-Internet zu Hause hat schon jeder.

Der Preiskampf der Anbieter ließ die Schweden nach letztem Sommer bis Jahresende umsonst Surfen und sorgt dafür, dass man ab 100 Kronen (zehn Euro fünfzig) pro Monat mit 380 kBit/s in beide Richtungen ans Netz kommt. Für mehr Geld kann man den Download auf bis zu 24 MBit/s und den Upload auf 1.4 MBit/s anheben. Die Verträge erscheinen mir simpler als der Dschungel in Deutschland und es gibt auch Pre-Paid Karten für Volumen oder Zeit. Lächerliche Einschränkungen wie die, dass man trotz Datenflatrate nicht übers Internet telefonieren kann, weil der Betreiber lieber seine eigenen Gesprächskosten verrechnet, gibt es nicht.

Genauso wie der Trend weg vom einen Telefon pro Haushalt hin zum Telefon pro Person (auch Handy genannt) geht, hoffen die Anbieter weiter auf gute Geschäfte mit mobilt bredband und der Tendenz weg vom Internetanschluss zu Hause hin zum mobilen Anschluss pro Laptop und damit wieder pro Person.

Nachtrag: hier.

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Wort der Woche: Tretydig

Dass Wörter im Schwedischen Doppelbedeutungen haben, ist keine Seltenheit. Ren kann das “Rentier” sein und als Adjektiv “sauber” bedeuten, hopp ist die “Hoffnung” aber auch der “Sprung”, eine våg kann eine “Welle” sein und eine “Waage”. Fil ist die “Spur” einer Straße, eine “Feile”, eine “Datei” im Computer und die Kurzform von filmjölk, dem joghurt- und buttermilchähnlichen Milchprodukt. Hier ließen sich unzählige weitere Beispiele finden.

Ein bekanntes Wortspiel ist: Får får får? Nej, får får lamm. Dabei wird ausgenutzt, das “Schaf” und die Präsensform von “bekommen” auf Schwedisch beide får lauten. Der Satz bedeutet also: “Bekommen Schafe Schafe? Nein, Schafe bekommen Lämmer.”

Dann gibt es auch einige wenige Wörter, die drei unterschiedliche Bedeutungen in drei verschiedenen Arten von Wörtern haben. Diese würde ich wirklich tretydig nennen, also “dreideutig”. Die Beispiele, die mir (mit viel Hilfe eines Muttersprachlers) einfielen, sind folgende:

  • bar
    • als Substantiv: die Bar
    • als Adjektiv: nackt, bloß, kahl
    • als Verbform: Imperfekt von bära, tragen.
    • Ein eigenes Wortspiel dazu: Barbaren bar bara bara Barbara ur baren. Der Barbar trug nur die nackte Barbara aus der Bar, siehe auch Rhabarberbarbara. ;)
  • skära
    • Substantiv: Sichel, auch die des Mondes.
    • Adjektiv: Pluralform von skär, auf Deutsch pink oder magenta.
    • Verb: schneiden
    • Skär anstatt skära funktioniert auch als Beispiel, dann ist es die Imperativform für das gleiche Verb und als Substantiv bezeichnet es eine Insel im “Schärengarten”:http://www.fiket.de/2006/06/04/wort-der-woche-skaerdard/.
  • lett
    • Verb: Partizipfrom von le, lächeln.
    • Substantiv: jemand aus Lettland.
    • Adjektiv: Neutrumform von le, was böse, gemein bedeutet.
  • vred
    • Verb: Vergangenheitsform von vrida, drehen.
    • Substantiv: ett vred ist der Türgriff, kann aber auch ein Teil eines Motors sein, das sich dreht.
    • Adjektiv: Wenn man vred ist, dann ist man böse auf etwas oder jemanden.
  • led
    • Adjektiv: veraltete Form von less, müde oder überdrüssig.
    • Substantiv: ein Gelenk oder Scharnier, aber auch ein Weg.
    • Verd: Vergangenheitsform von lida, leiden. Oder Imperativ von leda, führen.
    • Partikel: so
    • Verb: säen
    • Substantiv: die Tränke für Vieh.
  • kalla
    • Adjektiv: Plural von kall, kalt.
    • Verb: rufen, nennen
    • Substantiv: ein Pflanzenname, zu Deutsch “Drachenwurz”.
  • breda
    • Adjektiv: Pluralform von bred, breit.
    • Verb: (aus)breiten
    • Substantiv: ein Brett, aber nur wenn man breda mit dem Dialekt aus Norrland ausspricht. Dann klingt es nämlich wie bräda, “Brett”.
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Wort der Woche: Paj

Das Wort paj ist eines der zahlreichen Lehnworte, deren Schreibweise eingeschwedischt wurde – es kommt vom englischen pie. Weitere Beispiele für solche Wörter findet man hier. Paj hat keine direkte deutsche Entsprechung; je nach Art und Zutaten würde man “Pastete”, “Auflauf” oder “Kuchen” sagen.

Eine paj kann nämlich sowohl herzhaft als auch süß mit Früchten sein. Gemeinsam ist ihnen lediglich, dass sie als Boden oder Decke den gleichen Teig haben, pajdeg, und dass sie in der Regel in einer Auflaufform in den Ofen kommen. Der Teig ist simpel und besteht aus Mehl, Butter, Wasser (in ungefähren Gewichtsverhältnissen 10:15:2) und ein wenig Salz. Variationen dieses Grundrezepts sind gängig.

Mit dem Teig legt man Boden und Rand der Form aus und befüllt das Ganze womit man Lust hat. Zum Beispiel Schinkenwürfel und geriebener Käse, die man mit einer Soße aus Milch, Eiern und Gewürzen übergießt und die beim Backen fest wird. Schon hat man eine ost- och skinkpaj. Wenn man nicht will, dass der Teig sich vollsaugt, kann man ihn alleine in der Form zehn Minuten vorbacken.

RabarberpajDie Früchtevariante der paj ist eine bevorzugte Art der Schweden, Beeren zu essen (außer Erdbeeren, die isst man roh). Man kann hierbei den Teig unter den Beeren weglassen: einfach die Beeren (auch tiefgefroren) in die Form und den pajdeg darüber streuseln. Damit das besser geht, macht man diesen mit Haferflocken und nur ein bisschen Mehl. Das Bild zeigt die Reste einer solchen smulpaj mit Rhabarber, die mich vorhin auf die Idee zu diesem Artikel gebracht hat. Mit Heidelbeeren ist das auch sehr zu empfehlen. Man isst sie mit Sahne oder Vanilleeis oder -soße.

Und dann hat paj noch eine ganz andere Bedeutung, und zwar als Adjektiv, das für “kaputt” steht. Das Verb dazu ist paja und bedeutet dementsprechend “kaputt gehen”. Woher diese beiden sich ableiten, weiß ich nicht, aber ich vermute fast, dass obige paj damit zu tun hat. Umgangssprachliche Essensmetaphern sind nicht selten (det blev bara pannkaka; vilken röra/soppa).

Aus irgendwelchen Gründen kann man zu einer “Lederjacke” auch skinnpaj oder läderpaj sagen.

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