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Gäste vom Hospitality Club

Ich glaube, ich habe es noch nie hier erwähnt: Ich bin Mitglied im Hospitality Club (HC) und bei Couchsurfing (CS) und habe deshalb regelmäßig Gäste bei mir zu Hause. Das läuft folgendermaßen ab. Man registriert sich bei der Seite und füllt sein Profil aus (meine da und da). Dann können Reisende bei einem anfragen, ob man ihnen denn einen Schlafplatz zu einer gewissen Zeit anbieten könnte, und umgekehrt.

Verpflichtungen geht man natürlich keine ein und es gibt mehrere Sicherheitsvorkehrungen. So werden zum Beispiel neue Profile von Freiwilligen auf Duplikate und Plausibilität geprüft, der eigene Name und die Adresse lassen sich (auch vor anderen Mitgliedern) verstecken, wenn man dies will, so dass erst man diese erst bei persönlicher Kontaktaufnahme preisgeben kann. Das Wichtigste finde ich jedoch die Möglichkeit, auf den Profilseiten Kommentare zu Leuten zu hinterlassen, die man getroffen hat. Diese Kommentare können andere Mitglieder dann lesen, bevor sie jemandem zu- oder absagen. Vor einem Jahr habe ich auch schon einmal woanders über den HC geschrieben.

Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren dabei und hatte mittlerweile über 50 Gäste. Im Sommer kommen mehr Anfragen als man erfüllen kann und dann sagt man verständlicherweise oft nein. Aber da wir ein Arbeits- und Gästezimmer bei uns haben, in dem es ein Bett und eine Matratze gibt, ist es für uns sehr einfach, Gäste zu haben. Man gewöhnt sich so sehr daran, dass es ziemlich wenig mit dem eigenen Tagesablauf kollidiert, wenn man seinen Gästen diesen mitteilt, damit sie sich danach richten können. Oft spart man sogar Zeit, weil Gäste freiwillig den Abwasch übernehmen. ;)

Zu Gast mit dem HC war ich bisher zwei mal. Vor zwei Jahren in London teilte ich mir für ein Wochenende eine kleine Wohnung mit dem Gastgeber und vier weiteren Gästen. Diesen August war ich dann für drei Nächte in Prag bei einem netten Pärchen zu Gast, das mir eines ihrer Betten überließ. Als Gast hat man natürlich außer der kostenlosen Übernachtung auch noch den Vorteil, dass man einen Ortskundigen zum Ausfragen hat.

Höhepunkte als Gastgeber waren sicherlich die größeren Gruppen, die wir hier hatten. Sechs Franzosen aus Lyon war wohl die Höchstzahl bisher. Da hatten wir jedoch zwei zu einer Nachbarin ausquartiert. Die gemeinsamen Abendessen, zu denen wir in unserer Küche französisch bekocht wurden, sind erinnerungswürdig. Ähnliches gilt für die vier Griechen und auch viele der dominierenden Nationalität – Deutsche. Negative Erfahrungen haben wir bisher keine gemacht, außer dass man mit gewissen Personen nicht auf einer Wellenlänge liegt, so dass man sich wenig zu sagen hat und sie vergisst, sobald sie aus der Tür sind.

Nun endlich zum Punkt: Auch mit meinen vier deutschen Gästen, die ich gestern für eine Nacht aufnahm, hatte ich eine gute Zeit. Wir gingen zusammen aus und da drei der vier Skandinavistik studierten, hatten wir etwas weitergehende Gesprächsthemen als die üblichen “Anfängerfragen” über Schweden. Lustigerweise redeten wir überwiegend Englisch, denn es war auch ein Schwede dabei, der kein Deutsch konnte und nicht alle der Gäste konnten Schwedisch.

Trotzdem füllten die Eigenheiten der schwedischen Sprache und ihre Dialekte einen nicht kleinen Anteil des Abends. Außerdem bekam ich ein weiteres Mal bestätigt, dass die kleinen Hochschulen (högskolor), die die Sozialdemokraten in den letzten zehn Jahren in viele Kleinstädte des Landes ausgestreut haben, nicht wirklich auf Universitätsniveau unterrichten. Zwei der vier studierten an einer solchen im Niemandsland zwischen Stockholm und Södertälje und wussten wenig Gutes zu berichten.

Sie hatten außerdem das Problem, das jeder hat, der nach Schweden kommt, um die Sprache zu lernen: Man muss schon recht gut Schwedische sprechen, damit der Gesprächspartner nicht sofort auf Englisch wechselt. Mein Tipp: Einfach konsequent weiter auf Schwedisch antworten – irgendwann leuchtet es ihnen ein.

Der Abend endete dann bei mir zu Hause mit schwedischer Musik und einem starken süßen Likör, den mir andere HC-Gäste irgendwann einmal aus Estland mitgebracht hatten. Falls ihr vier das hier lest, kann ich das Foto von euch hier auf diese Seite stellen? :)

Nachtrag: Die Erlaubnis kam:

Tyskar

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Wort der Woche: Gasque

Tisch bei einer
Gasque

Eine gasque (auch gask) ist ein studentisches Fest mit mehrgängigem Abendessen. Um den Hintergrund der Studentorganisationen zu verstehen und damit ich einige Begriffe nicht neu erklären muss, empfiehlt es sich, den älteren Artikel über Studentnationen gelesen zu haben. Wie schon in diesem, bezieht sich alles weitere vornehmlich auf Uppsala und ist zudem exemplarisch. In den wenigen anderen Studentenstädten kann es ähnlich sein, muss es aber nicht.

Vorab sei gesagt, dass Gasques nichts für traditionsscheue Gemüter sind. Wenn es einem aber nicht zu viel ausmacht, einen Anzug anzuziehen und vor dem Trinken zu singen, können Gasques sehr lustig sein, vor allem weil unter der bewussten traditionellen Fassade meist ein lockeres Fest gefeiert wird.

Gelegenheiten für Gasques gibt es viele und kleinere Nationen feiern oft gemeinsam, um die Festsäle in ihren Häusern zu füllen. Ein paar Beispiele für Gasques, die regelmäßig in Uppsala stattfinden, dann nicht selten in meheren Nationen gleichzeitig:

  • Nyårsgasque – zu Silvester.
  • Vårbalen – der Frühlingsball.
  • Gåsmiddagen – großes Gänseessen mit Blutsuppe als Vorspeise.
  • Luccegasque – zu Lucia.
  • Reccegasque – für die Erstsemester.

  • Doktorandgasque – auch verschiedene studentische Untergruppen veranstalten Gasques, seien es die Doktoranden, Schwule und Lesben oder wer auch immer.

    Wenn man sich entschlossen hat, zu einer Gasque zu gehen, muss man sich mehrere Wochen vorher bei der jeweiligen Nation anmelden und das Eintrittsgeld bezahlen. Das liegt meist bei wenigen hundert Kronen und deckt nicht viel mehr als die Kosten für Essen und die mit geringen Löhnen als Personal arbeitenden Mitstudenten. Eine wichtige Information, die man spätestens bei der Anmeldung haben sollte, ist das klädsel, also die Kleidervorschrift.

  • kavaj – Jackett. Das ist die formloseste der Alternativen. Jeans sind OK und Krawatte freiwillig. Frauen können da anziehen, was sie wollen. Kommt zum Beispiel bei Reccegasques zur Anwendung, um die neuen Studenten nicht gleich abzuschrecken.

  • kostym – Anzug. Hier kommt für Männer Kravatte, Anzughose und je nach Geschmack auch Weste zum Jackett hinzu. Für Frauen ist ein Abendkleid angemessen, aber wer in Hose oder Rock und Bluse kommt, findet trotzdem Einlass.
  • *frack, högtidsdräckt* – Bei seltenen Gelegenheiten wie dem Frühlingsball ist Frack und Fliege angesagt. Frauen kommen dementsprechend im Ballkleid. Alternativ gelten auch traditionelle Gewänder der jeweiligen Herkunftsregion und Militäruniformen als “Hochzeitskleidung” in der wörtlichen Bedeutung.

    Etwa zwei Stunden vor Beginn trifft man sich nicht selten bei Freunden, die auch zur Gasque gehen, zum *förfest*, dem Vorfest. Dort trinkt man gemütlich einen Drink und stimmt sich auf den Abend ein. Zur angegebenen Zeit, üblicherweise zwischen sechs und sieben Uhr, geht man dann gemeinsam ins Nationshaus, wo in der Lobby der Willkommenstrunk wartet. Dort mischt man sich unters Volk und wirft einen Blick auf die Tafel mit der Sitzordnung, damit man seinen Platz leichter findet, wenn der Festsaal geöffnet wird. Eben dies wird akustisch mit einem Läuten oder Klopfen kundgetan und daraufhin sucht man seinen Platz und stellt sich hinter seinen Stuhl. Erst wenn der erste Kurator am “Ehrentisch” Platz nimmt, setzen sich alle gleichzeitig. Wenn man sich mit Partner angemeldet hat, wird man feststellen, dass der Mann immer links von der Frau sitzt und sich so eine alternierende Ordnung ergibt. Idealerweise ist die Ordnung auf der gegenüberliegenden Tischseite um eins versetzt, so dass jeder zu beiden Seiten und als Gegenüber eine Person des anderen Geschlechts hat. Da aber bei weitem nicht jeder mit Partner kommt, Partner nicht notwendigerweise verschiedene Geschlechter haben und noch auf mehr Dinge bei der Platzierung geachtet werden muss, lässt sich das nie komplett verwirklichen. Den Tisch vor sich findet man fertig gedeckt und mit der Vorspeise auf dem obersten Teller. Man gießt sich das bereitgestellte Bier in das dafür vorgesehene Glas und fängt zu essen an, wiederum nachdem man auf den ersten Kurator gewartet hat. Unterdessen geht das Personal mit den bekanntesten Sorten Aquavit (*snaps*) durch die Reihen und schenkt jedem seinen bevorzugten ein. Oft ist das nicht im Preis inbegriffen und man hat zuvor am Eingang Tickets gekauft, die man jetzt los wird. Bald darauf wird der *Toastmaster* das erste mal um Aufmerksamkeit bitten und alle ermahnen, dass man es mit ihm absprechen soll, falls jemand eine Rede halten will oder ähnliches. Auch wird erklärt, wie man in der jeweiligen Nation den Snaps trinkt. In “[meiner](http://www.upplandsnation.se/)” werden die recht großen Schnapsgläser bei jedem Lied zu einem Drittel geleert. Der Toastmaster ist also für die Zeitplanung des Abends zuständig und kündigt die einzelnen Redner und Events kurz an. Dann geht das Wort auch schon zur zweitwichtigsten Person, dem *sånganförare*, der die zahlreichen Lieder während des Abends anstimmt. Die Liedtexte kennt man entweder oder liest sie aus dem nationseigenen Büchlein ab, das eigens dafür herausgegeben wird. Da das Personal noch während der Vorspeise ein zweites Mal mit den Akvavitflaschen kommt und zu jedem Glas drei Lieder gesungen werden, kommen die ersten sechs Lieder zügig nacheinander im Abstand von wenigen bis zehn Minuten. Am Ende und manchmal auch in der Mitte jeden Liedes wird angestoßen. Aber bitte nicht irgendwie. Man hebt sein Glas und blickt zuerst seinem jeweiligen Partner zu, also Frauen nach links, Männer nach rechts. Dann demjenigen auf der anderen Seite, dann seinem Gegenüber. Dann trinkt man und blickt alle drei noch einmal in umgekehrter Reihenfolge an, bevor man sein Glas wieder abstellt. Man endet also wieder mit seinem Partner. Welche Lieder gesungen werden, variiert stark von Nation zu Nation. Klassiker von Bellman kommen ebenso vor wie neuere Verballhornungen klassischer Trinklieder. Zugute halten kann man den Nationen, dass sie Lieder, die einem gleichberechtigten Frauenbild zuwider laufen, aus den Liederbüchlein entfernt haben. Auch sonst findet man trotz der traditionellen Aufmachen wenig Kritikwürdiges. Zu bestimmten Liedern haben sich eigene kleine Rituale gebildet, die von wirklich witzig bis albern reichen und bei denen ein nicht Eingeweihter durchaus einmal in ein Fettnäpfchen treten kann. Nachdem man seine Schnäpse und das Bier geleert, die Vorspeise aufgegessen und vielleicht schon die erste Rede über sich hat ergehen lassen, wird abgeräumt und der Wein zum Hauptgang ausgeschenkt. Konsequenterweise geht man dann auch von Schnaps- zu Weinliedern über. Mit diesen, weiteren Reden und musikalischer Unterhaltung nimmt man sein Essen zu sich. Es empfiehlt sich, schnell zu essen, damit kein Redner dafür sorgt, dass man seinem Essen beim Kaltwerden zuschauen muss. Jedem Redner oder Auftritt danken die Gäste mit einem gesungenen Zweizeiler, den der- oder diejenigen mit einer Standardzeile beantworten oder – wenn sie sich vorbereitet haben – mit einer individuellen Abwandlung derselben. Vor dem Dessert gibt es üblicherweise eine Pause, die vom Personal zum Abräumen und von den Gästen zum Beine vertreten oder Rauchen verwendet wird. Denn natürlich ist auch in den Nationshäusern generelles Rauchverbot. Zum Nachtisch und Kaffee hat man eine weitere Gelegenheit, eines seiner Schnaps-Tickets loszuwerden. Meist stehen Punsch, Cognac und Bailey’s zur Auswahl. Gegen elf Uhr, wenn die letzte Rede geschwungen, allen Beteiligten gedankt, der Teller geleert und der nachgeschenkte Wein fast ausgetrunken ist, wird das letzte gemeinsame Lied des Abends angestimmt. Das ist immer [*O Gamla Klang*](http://www.dsek.lth.se/arkiv/sanger/index.php?song=287), eine Abwandlung des deutschen Burschenschaftsliedes [*O alte Burschenherrlichkeit*](http://www.absolvia.de/wuerzburg/lohalte.htm). Zur letzten Strophe stellen sich alle auf ihre Stühle und schwenken ihre Serviette über dem Kopf. Danach setzt man sich nicht wieder, sondern verlässt den Festsaal in Richtung Bar. Der förmliche Teil des Festes ist damit vorbei. Der Saal wird dann üblicherweise leergeräumt und zur Tanzfäche umgewandelt. Die *släpp* beginnt, die Party für den Rest des Abends. Dazu werden auch die Türen für weitere Gäste geöffnet, die nicht beim Essen dabei waren. Das kostet immer noch etwas Eintritt und die Kleidervorschrift wird allenfalls etwas abgeschwächt. Die, die den ganzen Abend dabei waren, haben aber verständlicherweise einen Vorsprung, was den Alkoholgenuss angeht. Wie man den Rest des Abends gestaltet, bis man um drei oder vier Uhr gebeten wird zu gehen, bleibt einem selbst überlassen. Eine Errungenschaft, die die Schweden ihrem Alkoholgesetz verdanken, ist, dass es immer etwas zu essen geben muss, wenn Alkohol ausgeschenkt wird. Das bedeutet, dass irgendwann gegen ein Uhr noch einmal etwas Einfaches aufgetischt wird, zum Beispiel Hot Dogs, und man sich bedienen kann. Der Nachhauseweg findet dann zu Fuß oder mit dem Taxi statt. Wenn man also spät nachts in Uppsala ungewöhnlich viele junge Menschen in Anzügen in Richtung der Studentensiedlungen torkeln sieht, weiß man: heute war Gasque. Zum Abschluss noch der Text des wohl bekanntesten schwedischen Trinkliedes, *Helan Går*. Der Inhalt sagt nicht viel mehr als dass man auch wirklich ganz austrinken soll. > Helan går, > sjung hopp fadarallan lallan lej. > Helan går, > sjung hopp fadarallan lej. > Och den som inte helan tar > han heller inte halvan får. > Helan går! [TRINKEN!] > Sjung hopp fadarallan lej. Für die vielen Austauschstudenten hat ein Spaßvogel eine Version aus englischen Worten zusammengestellt. Wenn man es singt, klingt es wie das schwedische Original, der Text ist jedoch Unsinn: > Hell and gore, > Shun hop father Allan lallan lay. > Hell and gore, > Shun hop father Allan lay. > And then some in the hell and tar > and hell are in the half and four. > Hell and gore, [DRINK!] > Shun hop father Allan lay.
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Ausländerquote diskriminierend

Im Herbst 2003 wurden zwei schwedische Studentinnen nicht für den Studiengang Jura an der Uni Uppsala zugelassen, weil ihre Noten nicht reichten. 30 der 300 Plätze waren jedoch für Studenten aus dem Ausland reserviert und das fanden die beiden voll ungerecht, weil auf diesem Weg Leute mit schlechteren Noten aufgenommen wurden.

Sie klagten. Und bekamen Recht. Weil die Universität sich nicht in ihre Politik reinreden lassen wollte, ging die Sache bis zum obersten schwedischen Gericht, dem högsta domstolen. Dieses hat heute bestätigt (S), dass diese Art der Studienplatzvergabe diskriminierend und nicht rechtens ist, und hat den Studentinnen je 8300 Euro Schadenersatz zugesprochen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das gut finden soll. “Gleiches Recht für alle” hört sich gut an, aber sind Noten von überall her vergleichbar? Haben Ausländer, gerade aus ärmeren Ländern, die gleichen Chancen? Ist eine Quote nicht sinnvoll, die aus anderen Benachteiligungen entstehenden Missverhältnisse künstlich auszugleichen?

Nachtrag: Etwas mehr bei den deutschen Nachrichten des SR.

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Wort der Woche: Licentiat

Das licentiatexamen (dt. Lizenziat) ist ein akademischer Abschluss, der zwar eigentlich vor langer Zeit in Schweden abgeschafft wurde, aber jetzt wieder von Doktoranden bestimmter Fächer verlangt wird. Man legt dieses Examen dann etwa zur Halbzeit seiner vier Jahre als Doktorand ab.

So auch ich. Das bedeutet, dass ich Anfang kommender Woche eine kleine Abhandlung einreichen muss, über die ich dann in drei Wochen einen Vortrag halte und von einem externen Gutachter Fragen gestellt bekomme. Deshalb ist es momentan etwas ruhiger auf Fiket und das heutige Wort der Woche ziemlich kurz. ;-)

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Wort der Woche: Studentnation

Seltsam, dass ich noch nie ausführlicher über die Nationen hier in Uppsala geschrieben habe. Erwähnt wurden sie jedoch schon gelegentlich. Mit studentnation oder einfach nur nation meint man Studentenverbindungen, wie sie in an den Universitäten Lund und Uppsala im 17. Jahrhundert entstanden und noch heute fortbestehen. Alles Folgende bezieht sich vorwiegend auf die Situation in Uppsala.

Im Gegensatz zu den Verbindungen in Deutschland hat sich in den Nationen keine fragwürdige politische Richtung herausgebildet, was wohl daran liegt, dass alle Studenten Mitglied in einer der 13 Nationen sein müssen (siehe Liste am Ende des Artikels). Die Mitgliedschaft kostet etwa 40 Euro pro Semester und kann insofern mit den Studentenwerksgebühren in Deutschland verglichen werden, als dass die Nationen ähnliche Aufgaben übernehmen und Dienstleistungen für Studenten anbieten. Darunter befinden sich

  • Kneipen und Restaurants
  • Wohnungen für die Mitglieder
  • Stipendien
  • Bibliotheken
  • Zeitungen
  • Sport
  • traditionelle Feste (gasques)
  • Clubs mit unterschiedlichen Musikrichtungen und Konzerte

  • kulturelle Aktivitäten wie Chöre, Orchester, Theatergruppen…

    Die Nationen werden von Studenten selbst verwaltet und bauen stark auf freiwilliges Engagement. Für einige Posten mit mehr Arbeit und Verantwortung nehmen Studenten sogar ein Semester oder ein Jahr Auszeit vom Studium und werden dann auch auf Niveau des normalen Studentenlohns bezahlt. Hier sind vor allem die Kuratoren zu nennen:

  • Der erste Kurator (förste kurator, abgekürzt “1Q”) ist der Chef und vorderster Repräsentant der jeweiligen Nation.

  • Der zweite Kurator (andre kurator, 2Q) kümmert sich um die Finanzen.

  • Der dritte (tredje kurator, 3Q) koordiniert die verschieden täglichen und Festaktivitäten.

    Die Kuratoren und zahlreichen anderen Posten werden von den Mitgliedern (landsmän) auf Versammlungen (landskap) gewählt, die mehrmals jährlich stattfinden. Nicht wenige schwedische Prominente waren Kurator während ihrer Studentenzeit, zum Beispiel war Dag Hammarskjöld 1Q von Uplands Nation. Jede Nation hat außerdem eine kleine Anzahl Inspektoren, oft Professoren und langjährige Mitglieder, die den Studenten mit Rat und Tat zur Seite stehen.

    Die Nationen sind nach den klassischen schwedischen Regionen (landskap) benannt und geordnet, wobei es im Laufe der Zeit allerlei Zusammenschlüsse und Neugruppierungen gab. Die Mitgliederzahl und damit auch die Vielfalt der Aktivitäten variiert von Nation zu Nation. Norrlands Nation ist die größte und Gotlands die kleinste. Jede Nation besitzt ein Haus im Stadtkern von Uppsala, in dem alle Aktivitäten stattfinden und in dem auch das Herz jeder Nation liegt: der Pub.

    Die Pubs sind mehr als nur Kneipe, denn es wird auch Essen serviert und sie dienen als sozialer Sammelpunkt. Wegen des eher symbolischen Lohns der freiwillig arbeitenden Studenten und dank einiger Steuerprivilegien sind alkoholische Getränke unschlagbar billig – 2-3 Euro für ein Bier anstatt der 5-6 Euro außerhalb der Nationen. Das ist der offensichtliche Grund, warum Studenten kaum abseits der Nationen ausgehen, und führt wiederum dazu, dass die Nationen bei Restaurant- und Barbetreibern recht unbeliebt sind und dass das Nachtleben in Uppsala außerhalb der Nationen einiges zu wünschen übrig lässt.

    Wegen der Abgeschlossenheit der Nationen kann man fast von einer Zweiklassengesellschaft sprechen, Studenten und Nichtstudenten, denen der Zugang zu den Nationen verwehrt ist. Als Student spielt es jedoch keine große Rolle, in welcher Nation man Mitglied ist, denn alle haben Zutritt zu allen anderen Nationshäusern. Es ist jedoch nicht unüblich, dass man bei der eigenen Nation kein Eintrittsgeld für gewisse Dinge bezahlt.

    Schweden wählen oft die Nation der Region, aus der sie ursprünglich kommen, aber nur wenige Nationen verlangen, dass man eine Verbindung zum entsprechenden Landesteil vorweisen kann, um Mitglied zu werden. Austauschstudenten habe freie Wahl und nutzen die angebotenen Möglichkeiten gern, auch um mit Schweden in Kontakt zu kommen anstatt nur mit anderen Austauschstudenten.

    Der soziale Aspekt ist ohne Zweifel der Hauptanziehungspunkt der Nationen. Es sind Plätze, an denen man sich trifft und gemeinsam etwas auf die Beine stellt. Durch das breite Angebot gibt es für die meisten eine passende Möglichkeit, sich zu engagieren – sei es bei einem Fest, kulturell oder beim kostenloses Weihnachtsessen für die Armen und Einsamen der Stadt.

    Eine Liste der Nationen in Uppsala:

  • Gotlands, die kleinste Nation.

  • Gästrike-Hälsinge, meist abgekürzt: GH.
  • Göteborgs
  • Kalmar
  • Norrlands, die mitgliederstärkste Nation.
  • Smålands
  • Stockholms
  • Södermanlands-Nerikes, genannt SNerikes
  • Uplands, Uppsala mit Umland, meine Wahl.
  • Värmlands
  • Västgöta, gesprochen “vächöta” mit ch wie in Fluch.
  • Västmanlands-Dala, V-Dala genannt.
  • Östgöta, gesprochen “öchöta”, siehe Västgöta.

  • Skånelands Nation nimmt ohne eigenes Haus, Aktivitäten und Mitgliedsgebühr eine Ausnahmerolle ein und bietet für diejenigen, die die Nationen ablehnen einen Ausweg. Die Mitglieder von Skånelands haben konsequenterweise auch keinen Zugang zu den anderen Nationen.

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Ganz kurz

Auf Gotland wurde ein Silberschatz mit arabischen Münzen und Armreifen aus der Wikingerzeit (10. Jhdt.) gefunden. Die drei Kilo Silber machen ihn zu einem der grösseren Funde der Ostseeinsel. (S)

Etwa 100 Studenten in Växjö wurde die Verbindung zum Uninetz gesperrt, weil sie angeblich Filme aus dem Internet heruntergeladen und weiterverbreitet hatten. Das ist in Schweden in der Tat illegal (und die neue Regierung hält ihr Wahlversprechen nicht, das entsprechende Gesetz zu überarbeiten), aber Aufsehen erregt die Tatsache, dass die betroffene Universität direkt auf Anfrage amerikanischer Rechteinhaber agierte, ohne die Anschuldigungen zu überprüfen. (E)

In der stockholmer U-Bahn sollen bald Fahrkartenautomaten eingeführt werden – ja, es gibt in der Tat keine solchen, sondern an jedem Eingang ein Häuschen mit einem richtigen Menschen drin. Um ebendiese weniger Gefahren durch Raub auszusetzen, sollen ein neues System mit Automaten eingeführt werden. Die Kabinen werden aber bemannt bleiben. (E)

Schon gestern wurde bekannt, dass die Schweden laut einer Unfrage die USA als größte Gefahr für den Weltfrieden sehen. Mit 29% der Stimmen schlagen sie knapp Nordkorea. (S, E)

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Veranstaltungen in Uppsala

Es macht Spaß, Veranstaltungen zu besuchen, sie zu fotografieren und an dieser Stelle darüber zu schreiben – siehe zum Beispiel die Demo neulich. Die Polentage (S) habe ich leider verpasst, das Kurzfilmfestival (S,E) will ich dieses Wochenende aber noch besuchen.

Eine weitere Gelegenheit bieten sicherlich die Sextage (S) am 9. und 10. November, eine Veranstaltung des Riksförbundet för sexuell upplysning^^ (S), die aus Stockhom kopiert wird, wo sie schon einige Jahre erfolgreich an der Uni stattfindet. Mehr dazu bei Spiegel Online und bald an dieser Stelle. :-)

(via)
^
^wörtlich übersetzt: Reichsverband für sexuelle Aufklärung.

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Studiengebühren für Ausländer?

In Schweden ist das Studium gebührenfrei. Generell. Und das ist auch gut so.

Der erst kürzlich gewählte Rektor der hiesigen Uni scheint dies ändern zu wollen – zumindest für Ausländer. Der kurze Bericht schreibt seltsamerweise nur von Europäern, aber gerade die kommen doch oft über Austauschprogramme, wo eventuelle Gebühren zum “Stipendium” gehören.

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