Vorgestern trat der neue schwedische Reichstag zusammen und wählte
seinen Vorsitzenden. Die beiden politischen Lager, Rot-Rot-Grün und die
bürgerliche Allianz, hatten je einen Kandidaten vorgeschlagen, da jedoch
keines der beiden eine eigene Mehrheit hat, freuten sich die neu
hinzugekommenen
Schwedendemokraten (SD) darauf, zum ersten Mal ihre vermeintliche Macht
auszuspielen. Doch es kam anders. Der Kandidat der Allianz, Per
Westerberg, war schon in der letzten Mandatsperiode Talman des
Reichstages und wurde wiedergewählt, ohne dass die Stimmen von (SD), die
auch auf ihn kamen, eine Rolle gespielt
hätten.
Dazu brauchte es dreierlei Kuriosa. Zum einen stimme eine Abweichler von
Rot-Grün für Westerberg. Zum anderen verpasste eine Abgeordnete der
Linken ihre Stimmabgabe, weil sie nicht rechtzeitig von der Toilette
zurückkam. Und zum dritten war Thomas Bodström, ehemals Innenminister
der Sozialdemokraten und einer ihrer wichtigsten Figuren, schlicht
verreist und konnte nicht abstimmen. Dafür fängt Bodström sich wieder
einmal
Kritik
ein, denn sein Urlaubsantrag war noch nicht genehmigt und er ist bekannt
dafür, viele Nebenaktivitäten und -einkünfte zu haben, die seine Arbeit
im Parlament beeinträchtigen.
Gestern fand dann die feierliche Eröffnung des Parlaments statt und der
dazu gehörende Gottesdienst bot den Schwedendemokraten die erste
Gelegenheit, sich zu blamieren und ihr wahres Gesicht zu zeigen. Denn
obwohl sie von sich behaupten, keine Rassisten zu sein, standen die
zwanzig Abgeordneten geschlossen auf und
verließen
die Kirche, als die Bischöfin vom gleichen Wert aller Menschen sprach
und die Demonstrationen gegen Rassismus erwähnte.
Am späteren Nachmittag stellte Fredrik Reinfeldt dann endlich seine neue
Regierung vor und hielt eine Regierungserklärung
(PDF), die
kaum Überraschungen enthielt, sondern sich im Wesentlichen mit den
Parteiprogrammen aus dem Wahlkampf deckt und eine direkte Fortsetzung
aus den vergangenen vier Jahren verspricht.
An dieser Stelle ist einzuwerfen, dass in Schweden
Minderheitsregierungen, wie sie Reinfeldt II im Gegensatz zur letzten
sein wird, durchaus handlungsfähig sind und eine lange Tradition in
Schweden haben. Eine Vorlage geht nämlich im Parlament durch, solange
die Opposition nicht geschlossen einen Gegenvorschlag vorlegt und für
diesen stimmt. Das bedeutet zum Beispiel dass Reinfeldts Budget
angenommen werden wird, wenn nicht die Schwedendemokraten mit Rot-Grün
für deren Vorschlag stimmen. Dies ist unwahrscheinlich, wenn nicht vorab
mit (SD) verhandelt wird, was wiederum kaum denkbar ist.
Die Opposition hat also die Prinzipielle Möglichkeit, die Regierung
jederzeit abzusägen, doch dafür müssten Sozialdemokraten, Grüne und
Linke sich mit den Schwedendemokraten zusammentun. Ein solcher
opportunistischer Schachzug würde sie jedoch immens viele Sympathien
kosten, vom Verrat an ihren Prinzipien einmal ganz abgesehen. Deshalb
ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Minderheitenregierung der
Allianz die ganze Mandatperiode lang im Sattel bleibt.
Wie sieht sie nun aus, die Regierung Reinfeldt II? 24 Minister wird es
geben – so viele wie in keiner anderen europäischen Regierung. Das hat
verhandlungstechnische Gründe, denn die kleineren Koalitionspartner von
Reinfeldts Moderaten wollten gern ihre vier (Folkpartiet und Centern)
beziehungsweise drei (Kristdemokraterna) Minister behalten weswegen die
Zuständigkeiten etwas neu verteilt wurden, damit die Moderaten,
entsprechend ihrem höheren Anteil am Wahlergebnis, drei Minister mehr
abbekommen als zuletzt.
Zu den Umstellungen gehört auch, dass nicht mehr Maud Olofsson vom
Zentrum, sondern Jan Björklund von den Liberalen stellvertretender
Staatsminister wird. Das Integrations- und
Gleichberechtigungsministerium wird abgeschafft und die Aufgaben den
Ministerien für Ausbildung und Arbeitsmarkt zugeschlagen, deren
jeweilige stellvertretende Minister zusätzlich Integrations-
beziehungsweise Gleichberechtigungsminister werden.
Die gesamte Ministerliste findet sich auf
regeringen.se und SvD stellt
die sieben neuen Namen
vor,
für Schweden typisch inklusive Jahreseinkommen.